Unter aller Sau by Christian Limmer
Autor:Christian Limmer [Limmer, Christian]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
ISBN: 9783426413401
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2012-03-04T23:00:00+00:00
Lederer verzog sein Gesicht, nachdem er den Bärwurz hinuntergekippt hatte. »Sie glauben nicht, dass einer der Kunden der Mörder sein könnte?«, fragte er mit rauchiger Stimme.
Gisela schüttelte den Kopf. »Sie?«
Lederer trank schnell von seinem Spezi nach, um den scharfen Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben.
»Möglich ist natürlich alles, aber ich denke nicht, dass einer von denen das Format dazu hat«, fuhr Gisela nachdenklich fort. »Ich mein, die ist zu Tode geprügelt worden, das macht keiner von denen.«
»Im Zorn?« Lederers Augen tränten leicht.
»Und wieso glauben Sie jetzt nicht mehr, dass es dieser Ionel war?«
»Das hab ich nicht gesagt, aber solange keinerlei eindeutige Beweise in dieser Richtung vorliegen, muss ich mir auch Gedanken zu den anderen Kontaktpersonen der Toten machen.«
»Aha. Und was sagt Ihr Bauch?«
Lederer guckte verdutzt.
»Mein Bauch?«
»Ja. Intuition, Instinkt, Erfahrung. Irgendwas davon werden Sie ja wohl haben, oder?«
Lederer räusperte sich, rutschte auf seinem Holzstuhl kurz hin und her.
»Natürlich, aber das Entscheidende für eine solide Gerichtsverhandlung sind Beweise. Ohne die kann der Staatsanwalt keine Anklage erheben.« Sein Schnauzer zuckte kurz.
»Vergessen Sie mal die Gerichtsverhandlung, davor stehen ja immer noch die Ermittlungen. Mich interessiert, wie Sie das so handhaben. Sie machen das ja schon länger als ich. Also, das Mordermitteln.«
Lederers Augen flitzten durch den Raum, Gisela spürte seine Unruhe und fragte sich, was das Hummelige ausgelöst hatte. Er trank sein Spezi aus, stellte das leere Glas bedächtig ab, drehte es kurz in seiner Hand. Schließlich schaute er Gisela an, beugte sich etwas vor.
»Emotionen haben bei einem Mordfall nicht stattzufinden«, raunte er knapp.
Gisela beugte sich ebenfalls vor. »Können Sie mir mal erklären, wie das funktioniert, dass Emotionen nicht stattfinden?«
Lederer starrte Gisela an. Er schaute links, ein leerer Tisch, er schaute rechts, die Bedienung räumte das Geschirr eines Handwerkertrupps weg, der gerade abrückte, er schaute geradeaus in Giselas blaue Augen.
»Sie müssen so oft wie möglich Nachrichten sehen.«
Gisela war verblüfft, mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Lederer verschränkte seine Finger, als würde er einen Vortrag halten.
»Oder Tierdokumentationen über Raubtiere. Splatterfilme, am besten die indizierten, so was wie ›Saw‹.«
Gisela spürte, dass Lederers Worte zwar in ihrem Gehirn ankamen, dort aber wie Flummis kreuz und quer herumschossen.
»Sie müssen abstumpfen, sonst geht das nicht.«
Lederer winkte der Bedienung, deutete auf sein leeres Speziglas. Die Bedienung nickte.
»Soll das heißen, Sie ziehen sich den ganzen Mist rein, um den Job machen zu können?«
»Nein. Ich schau mir das an, weil ich dadurch lerne zu abstrahieren. Ich sehe, wie Löwen eine Antilope jagen und zerfleischen, und ich sage mir, so ist die Natur, so bleibt sie im Gleichgewicht.«
»Und bei diesen Splatterfilmen?«
»Schau ich ganz genau hin, manchmal in Zeitlupe, damit ich die Tricks sehe, mit denen dort gearbeitet wird. Ich schärfe mir ein, dass es sich nur um einen Film handelt und alle Darsteller überlebt haben. Hoffentlich.«
Er lachte über diesen Humorspritzer. Gisela blieb ernst. Die Bedienung stellte ein neues Spezi vor Lederer ab, nahm das leere Glas mit.
»Dann geht Ihnen dieser Mord gar nicht nahe?«
»Null.«
Eine eiskalte Schlange wand sich durch Giselas Körper zum Herzen vor.
»Und wieso machen Sie das?«
Lederer, der gerade zum Trinken ansetzen wollte, hielt kurz mit dem Glas in der Luft inne.
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